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„...meine Schwester oder meine Frau“
Goethe und Frau von Stein – Geschichte einer Liebe
Selten sind Liebesbriefe in einer schöneren Sprache geschrieben worden, fast nie hat Goethe sich sonst in seinen Gefühlen so rückhaltlos enthüllt wie in den zahllosen Botschaften an die Weimarer Hofdame Charlotte von Stein. Beide haben sie unter dem Anprall von Gefühlen gelitten, die nicht erlaubt waren. Goethe ist daran gereift, Charlotte spät erblüht und noch später zerbrochen. Es war eine Liebe, die sich nur in Worten erfüllen konnte, in Phantasien und – nicht zuletzt – in den Phantasien der Mit- und Nachlebenden. Kaum eine Beziehung Goethes hat derart das Interesse auf sich gezogen wie diese. Aber lassen wir die Ghibellino'schen Spekulationen beiseite und wenden wir uns diesem wirklich nützlichen Buch zu.
Ein Phänomen sind des Dichters Briefe, die unvermutet von spontaner Prosa in ein makelloses Gedicht übergehen, ein anderes Phänomen, auf wieviele Arten sich intelligente Menschen mißverstehen können. Liebeserklärungen und Enttäuschungen, Spannungen und Verletzungen, ein ständiges Hin- und Herpendeln zwischen dem Du und dem Sie gab es längst schon vor Goethes dramatischer Flucht nach Italien.
Man kann diese Geschichte als Roman wiedergeben, kann sie als Biografie nacherzählen oder – scheinbar zunächst die unattraktivste Form – in einer Abfolge von biografischen Essays ausloten. Den letzten Weg hat der Augsburger Professor Helmut Koopmann gewählt und in seiner Untersuchung ebenso sehr eine bewegende Epoche im Leben zweier bedeutender Menschen nacherzählt, wie durch seine geschulte Begabung, Sprache sprechen zu lassen, aus den alten Briefen eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse gewonnen. Daß er dabei selber einen guten, durchweg lesbaren Stil schreibt, macht sein Buch doppelt hervorhebenswert in der Flut der Literatur zu diesem Thema.

Helmut Koopmann: Goethe und Frau von Stein. Geschichte einer Liebe. München: C. H. Beck 2002. 282 S., geb. 19,90 €