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„August – Ein bürgerliches Puppentrauerspiel“

„Nein, viel Substanz hat das nicht“, entgegnete Kurt Tucholsky einst einer Kritikerin seines Romans „Schloß Gripsholm“. „Mir scheint es nun ein Hauptvorzug einer Omelette soufflée zu sein, möglichst wenig Substanz zu haben, und Rinderbraten stand nicht auf der Speisekarte. Leichtigkeit, das ist im Deutschen ein Vorwurf für den Autor. Tief... tief muß es sein.“

Womit eigentlich schon alles Positive über den Roman „August“ und hinlänglich auch schon das Negative angedeutet wäre. Gewiss, er hat wenig Substanz, aber irgendwie hat man nach der Lektüre weder den Geschmack eines Omelettes noch eines Rinderbratens auf der Zunge. Weder hat die vielfach preisgekrönte Erzählerin Anlauf zu einem rechten Roman genommen, noch mochte sie eine Biografie erarbeiten (für die es in den letzten Jahren auch immer mehr Material gegeben hätte; ihr vielleicht zu viel?)

Die Autorin hat sich stattdessen einen formalen Mix aus Dialogen und lyrischen Monologen ausgedacht, etliche Originaltexte arrangiert und einmontiert und sich darüber hinaus einige erzählerische Kabinettstücklein ausgedacht, die manchmal erhellend, mitunter sogar pfiffig sind. Am schönsten dasjenige, worin sich der wütende August gegenüber seiner Autorin wehrt, ihr rechts und links ein paar schallende Ohrfeigen versetzt und sie endlich zu Boden stößt: „Was gibt dir das Recht, die Toten wecken und sie sprechen und agieren zu lassen wies dir gefällt?“ Anne Weber: „Ich dachte, ich könnte ... für dich sprechen.“ – August. „Sprich gefälligst für dich selbst! Ich brauche deine Stimme nicht. Du störst meine Ruhe.“ – Anne Weber: „Es gibt die Möglichkeit zu protestieren. Es gibt keine Möglichkeit nicht mitzuspielen. Das Stück geht weiter.“ (Ach, wäre das schöne gewesen, der Spielroman hätte dieses Niveau halten können!)

Der Leser wohnt einem bürgerlichen Trauerspiel bei, einem Puppenspiel und am Ende auch noch einem Geisterstück, wenn sich August mit den Worten verabschiedet: „Die Glocke schlägt / eins: pünktlich / wie die Turmuhr / kippe ich ins Grab zurück. // Für die Dauer / dieses Trauerspiels / von Mitternacht / bis Schlag ein Uhr / durfte ich singen / träumen und mich regen.“ Auf hundertsechzig Seiten wurde zuviel und zuwenig geboten. Schade, dass kein Rinderbraten auf der Speisekarte stand!

Anne Weber: August. Ein bürgerliches Puppentrauerspiel. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 2011. 159 S. Geb. 16,95 €